Kündigung in Diakonie-Krankenhaus unwirksam:

Besondere Regeln für Kündigung im Bereich der Diakonie

Für eine Kündigung im kirchlichen Bereich gelten besondere Regelungen. Auch in einem Diakonie-Krankenhaus sind diese besonderen Regelungen einzuhalten, sonst ist die Kündigung unwirksam. Betrifft die Kündigung Mitarbeitende im Dienst einer diakonischen Einrichtung, gelten über die im Kündigungsschutzgesetz und im BGB normierten Voraussetzungen hinaus besondere formale Anforderungen, die die Beteiligung der Mitarbeitervertretung (MAV) betreffen. Diese unterscheiden sich in durchaus wesentlichen Punkten von den Anforderungen nach dem Betriebsverfassungsgesetz, das im kirchlichen und diakonischen Bereich nicht gilt. Diese Anforderungen sind im Mitarbeitervertretungsgesetz der jeweiligen evangelischen Landeskirche bzw. der katholischen Kirche geregelt.

Beteiligung der Mitarbeitervertretung auch in einem Diakonie-Krankenhaus. Sonst ist die Kündigung unwirksam

Die ordentliche Kündigung von privatrechtlich angestellten Mitarbeitern im kirchlichen und im diakonischen Bereich, also auch in einem Krankenhaus der Diakonie, bedarf der Zustimmung durch die zuständige Mitarbeitervertretung im Rahmen der eingeschränkten Mitbestimmung (§ 42 Lit. b) i.V.m. § 38 Abs. 1 Satz 1 MVG.EKD). Die beabsichtigte Kündigung darf erst vollzogen werden, wenn eine Zustimmung der MAV vorliegt (§ 38 Abs. 1 Satz 1 MVG.EKD). Fehlt es an der ordnungsgemäßen Beteiligung, so ist die Kündigung in dem Diakonie-Krankenhaus unwirksam (§ 38 Abs. 1 Satz 2 MVG.EKD). Besonderes Augenmerk ist hier auf die Formalien zu legen, die in § 38 Abs. 2 und 3 MVG.EKD geregelt sind.

Oft fehlt es bei Kündigungen an der Einhaltung der Formalien, was regelmäßig zur Unwirksamkeit der Kündigung führt. Besondere Schwierigkeiten bereitet in der Praxis oft die Frage, wann eine Beteiligung der Mitarbeitervertretung den gesetzlichen Anforderungen des MVG entspricht.

BAG: Kündigung in einem Diakonie-Krankenhaus ist wegen fehlerhafter Beteiligung der Mitarbeitervertretung unwirksam

In einem durch das Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall (BAG, Urteil vom 22.10.2015 – 2 AZR 124/14) hatte ein evangelisches Krankenhaus seinem Chefarzt für innere Medizin zum 30.09.2012 mit Schreiben vom 28.06.2012 gekündigt und ihm gleichzeitig die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses als Chefarzt der Klinik I  Allgemeine Innere, Diabetologie, Gastroenterologie, Hämato-/Onkologie- zum 1.10.2012 angeboten. Es handelte sich also um einen Fall der sogenannten Änderungskündigung. Vor der Übergabe des Kündigungsschreibens unterrichtete die Dienststellenleitung die MAV am 26.06.2012 von der beabsichtigten Änderungskündigung. Am 27.06.2012 teile die MAV mit, sie danke für die umfassende Information und stehe für einen weiteren Austausch zur Verfügung. Gegen die Änderungskündigung ging der Chefarzt mit der Begründung vor, die Mitarbeitervertretung habe nicht zugestimmt.

Dem gab das BAG recht. Die Beteiligung der Mitarbeitervertretung war deshalb nicht ordnungsgemäß, weil die Dienstellenleitung zwar die MAV unterrichtet hatte, es aber versäumt hatte, nach § 38 Abs. 2 Satz 1 MVG.EKD deren Zustimmung zu beantragen. Zudem hatte die Dienstellenleitung entgegen § 38 Abs. 1 Satz 1 MVG.EKD) die Kündigung vor Abschluss des Zustimmungsverfahrens erklärt. Aus diesen Gründen konnte es auch nicht zu einer Fiktion der Zustimmung nach Ablauf der zweiwöchigen Erörterungsfrist gemäß § 38 Abs. 3 Satz 1 MVG.EKD kommen. In der Erklärung, man danke für die Information und stehe zum weiteren Austausch bereit, liegt auch keine Zustimmung der MAV zu der Änderungskündigung.

Dies hatte die Unwirksamkeit der Änderungskündigung zur Folge.

Kündigung und Klagefrist

Allerdings gilt eine Kündigung als wirksam, wenn sie nicht innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigungserklärung vor dem zuständigen Arbeitsgericht angegriffen wird (§ 4 KSchG). Dies gilt auch für den kirchlichen oder diakonischen Bereich. Daher muss auch ein privatrechtlich angestellter Mitarbeiter im kirchlichen oder diakonischen Dienst, der eine Kündigung erhalten hat, seine Argumente im Rahmen einer Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht vortragen.

Haben Sie eine Kündigung erhalten? – Dann melden Sie sich schnellstmöglich hier.

Der Fall Egenberger

Selbstbestimmungsrecht der Kirchen gegen Antidiskriminierung

Im Jahre 2021 bewarb sich Frau Egenberger auf eine ausgeschriebene befristete Stelle als Referentin beim Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung in Berlin. Gegenstand der Stelle war schwerpunktmäßig die Erarbeitung eines Parallelberichts zum deutschen Staatenbericht zur Umsetzung der UN-Antirassismuskonvention durch Deutschland. In der Ausschreibung war als Voraussetzung die Mitgliedschaft in einer christlichen Kirche ausgewiesen. Diese Voraussetzung erfüllte die konfessionslose Bewerberin nicht und wurde nicht zum Bewerbungsgespräch eingeladen. Eingestellt wurde ein evangelischer Bewerber. In ihrer Klage vor dem Arbeitsgericht Berlin sah sich die Klägerin wegen ihrer Konfessionslosigkeit durch die Nichteinladung diskriminiert. Frau Egenberger macht geltend, für den ausgeschriebenen Job sei die Zugehörigkeit zu einer christlichen Konfession nicht relevant gewesen.

Das Ev. Werk für Diakonie und Entwicklung berief sich dem gegenüber auf das verfassungsrechtlich garantierte Selbstbestimmungsrecht der Kirchen (Art. 140 Grundgesetz i.V.m. Art 137 II Weimarer Reichsverfassung), ihre arbeitsrechtlichen Grundsätze selbst zu regeln.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) war mit diesem Fall befasst und legte dem EuGH die Frage nach der Auslegung der Antidiskriminierungsrichtlinie 2000/78/EG (RiLi) vor, die Arbeitnehmer vor Diskriminierung, auch wegen ihrer Religion, schützen soll. Nach § 9 Abs. 1 AGG ist eine Benachteiligung zulässig, wenn sie „…wegen der Religion oder der Weltanschauung bei der Beschäftigung durch Religionsgemeinschaften, die ihnen zugeordneten Einrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform oder durch Vereinigungen, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Religion oder Weltanschauung zur Aufgabe machen, auch zulässig, wenn eine bestimmte Religion oder Weltanschauung unter Beachtung des Selbstverständnisses der jeweiligen Religionsgemeinschaft oder Vereinigung im Hinblick auf ihr Selbstbestimmungsrecht oder nach der Art der Tätigkeit eine gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt.“

Fraglich war nun, ob diese bundesrechtliche Regelung mit der o.g. Antidiskriminierungsrichtlinie vereinbar ist.

Dies ist nach der Entscheidung des EuGH und der nachfolgenden Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG,  Urteil vom 25. Oktober 2018 – 8 AZR 501/14 –) nur der Fall, soweit § 9 Abs. 1 AGG die Benachteiligung aufgrund der Art der Tätigkeit ermöglicht (§ 9 Abs. 1, 2. Alt. AGG). Soweit § 9 Abs. 1, 1. Alt. AGG auf das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen abstellt, ist das Bundesrecht nicht vereinbar mit dem EU-Gemeinschaftsrecht. Das BAG hat dazu auch festgestellt, dass eine gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung des Bundesrechts im Hinblick auf § 9 Abs. 1, 1. Alt. AGG nicht möglich sei. Das Bundesrecht ist insoweit nicht anzuwenden.

Im konkreten Fall bedeutete dies, dass die Frage nach der Zulässigkeit der Benachteiligung der Frau Egenberger daran zu beurteilen war, ob die Religionszugehörigkeit für die von der Klägerin gewünschte Position nach der Art ihrer Tätigkeit eine „wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung“ (siehe Art. 4 Abs. 2 der RL 2000/78) darstellt.

Das BAG hatte daran erhebliche Zweifel, denn im konkreten Fall habe keine wahrscheinliche und erhebliche Gefahr bestanden, dass das Ethos der Diakonie beeinträchtigt würde. Dies folge im Wesentlichen aus dem Umstand, dass der jeweilige Stelleninhaber/die jeweilige Stelleninhaberin – wie auch aus der Stellenausschreibung ersichtlich – in einen internen Meinungsbildungsprozess beim Beklagten eingebunden gewesen sei und deshalb in Fragen, die das Ethos der Diakonie betrafen, nicht unabhängig habe handeln können. Auch die Ausübung der kirchlichen Autonomie sei nicht Gegenstand der ausgeschriebenen Referententätigkeit gewesen.

Das BAG geht damit über die bisherige verfassungsgerichtliche Rechtsprechung hinaus, nach der die Kirchen selbst bestimmen, was zum Kern ihrer Glaubenslehre und deren Bezüge in die Praxis gehört.