Sind kirchliche AVR Tarifverträge?

Warum ist das wichtig?

Die Frage, ob kirchliche AVR (Arbeitsvertragsrichtlinien) Tarifverträge sind, ist die Frage nach der Rechtsnatur solcher kirchlicher arbeitsrechtlicher Regelungen. Diese Frage kann auch noch weiter gefasst werden. So kann man auch fragen, ob die AVR der Kirchen etwa wie kirchliche Gesetze wirken. Die Antwort auf diese Fragen ist wichtig, um zu verstehen, wie kirchliche AVR sich auf Arbeitsverhältnisse auswirken und auch, wie sie ggf. angreifbar sind.

Sind kirchliche AVR als Tarifverträge oder allgemeine Geschäftsbedingungen?

Das Bundesarbeitsgericht hat sich bereits mehrfach mit der Frage nach der Rechtsnatur von AVR befasst. Es hat dabei erkannt, dass kirchliche AVR als Allgemeine Geschäftsbedingungen zu behandeln sind. Als solche unterliegen sie -anders als etwa kirchliche Gesetze- grundsätzlich der Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff. BGB, sind also durch staatliche Gerichte überprüfbar. Allerdings entfalten sie, auch anders als Gesetze, ihre Wirkungen nur, wenn ihre Anwendung in den jeweiligen Arbeitsverträgen der kirchlichen oder diakonischen Mitarbeiter auch vereinbart worden ist.

kirchliche AVR: Inhaltskontrolle bei Rückzahlung von Fortbildungskosten

Bei der inhaltlichen Überprüfung kirchlicher AVR gibt es allerdings ein paar Besonderheiten, die das BAG in seiner Entscheidung vom 17.11.2005 – 6 AZR 160/05 ausführte. In diesem Fall ging es um die Frage der Wirksamkeit von Rückzahlungsklauseln in Bezug auf Fortbildungen, die die Arbeitgeberin, hier die Caritas, ihrer Arbeitnehmerin bezahlt hatte. Die Arbeitnehmerin hatte nach den Fortbildungen das Arbeitsverhältnis gekündigt und war nach § 10 a Abs. 2 AVR-Caritas zur Rückzahlung eines Teils der durch die Fortbildung entstandenen Kosten herangezogen worden. Die Arbeitnehmerin weigerte sich, diese Kosten zurückzuzahlen.

Kirchliche AVR: Besonderheiten bei der Inhaltskontrolle

Das BAG hat ausgeführt, dass AVR keine Tarifverträge seien, weil sie nicht nach den Regelungen des Tarifvertragsgesetzes zustande kommen. Daher findet § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB keine Anwendung. Diese Bestimmung nimmt bestimmte kollektivrechtliche Regelungswerke, darunter auch Tarifverträge von der Anwendung der AGB-Gesetze aus. Kirchliche AVR sind in dieser Bestimmung nicht ausdrücklich genannt. Allerdings sieht § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB durchaus die Berücksichtigung von „Besonderheiten des Arbeitsrechts“ vor. Obwohl danach AVR keine Tarifverträge sind, hält das BAG es nach diesen „Besonderheiten des Arbeitsrechts“ dennoch für angemessen, kirchliche AVR ähnlich wie Tarifverträge zu behandeln. Es begründet dies wie folgt:

Das Zustandekommen der AVR als Ergebnis der Verhandlungen einer paritätisch zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern besetzten Arbeitsrechtlichen Kommission nach kirchlichen Gesetzen sei eine Gewähr dafür, dass die AVR, wie auch Tarifverträge, als „gleichgewichtig durchsetzungsfähig“ angesehen werden. Dies rechtfertige es, die Inhaltskontrolle von AVR soweit einzuschränken, dass sie letztlich ähnlich wie Tarifverträge zu behandeln seien. Jedenfalls sei dies dann der Fall, wenn sie tarifvertragliche Regelungen ganz oder mit im Wesentlichen gleichen Inhalten übernähmen. Dies sei hier der Fall, da die AVR-Caritas die Regelungen des BAT (Bundes-Angestellten-Tarifvertrag) überwiegend, teilweise wortgleich, übernommen hätten. An dieser Einschätzung ändert sich nach dem BAG auch nichts dadurch, dass die AVR ja nur in Verbindung mit einem Arbeitsvertrag gelten, der diese Regelungen einbezieht.

Prüfungsmaßstäbe für die Wirksamkeit kirchlicher AVR

Wie Tarifverträge, sind nach der Rechtsprechung des BAG also kirchliche AVR allein daraufhin zu untersuchen, ob sie gegen die Verfassung, gegen anderes höherrangiges zwingendes Recht oder gegen die guten Sitten verstoßen. In dem entschiedenen Fall war ein solcher Verstoß nicht festzustellen. Die Arbeitnehmerin wurde also zur Rückzahlung verurteilt, wenn auch nicht in der durch die Caritas beantragten Höhe.

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